Heft 7 : Reform ist...
freispruch # 7 | September 2015 | das ganze Heft als PDF-Download
Verpasste Chance
Eine »Reform der Tötungsdelikte« ist überfällig! Mit dieser Feststellung enden allerdings bereits die Gemeinsamkeiten derer, die sich in den letzten Jahren um eine solche Reform bemüht haben. Nach Unterbreitung zahlreicher Vorschläge setzte das BMJV eine Expertenkommission zur »Reform der Tötungsdelikte« ein. Deren Abschlussbericht enthält deutlich mehr Schatten als Licht, meint Helmut Pollähne und bekräftigt die Forderung der Strafverteidigervereinigungen nach Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe.
Rettet den Wald!
Warum die »Reform« von Nr. 7000 VV RVG rückgängig gemacht werden muss - im Sinne der Verteidigung und des Waldes - erklären Björn Elberling und Martin Schaar.
Verlorene
Unschuld(svermutung)
Die Bundesregierung hat ein drittes Opferrechtsreformgesetz auf den Weg gebracht, das Geschädigten im Strafverfahren mehr professionelle Opferbetreuer zur Seite stellt und die Unschuldsvermutung weiter untergräbt. von Anette Scharfenberg
Strafbare Möglichkeiten
Unter Tagesordnungspunkt 13 - zwischen dem Neunten Gesetz zur Änderung des Weingesetzes und dem Vierten Gesetz zur Änderung des Rindfleischetikettierungs-gesetzes - stimmte der Deutsche Bundestag am 23. April 2015 für den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur ‚Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten‘ (GVVG). Damit ist der Gesetzgeber den vor langem eingeschlagenen Weg der Vorverlagerung der Strafbarkeit noch einen großen Schritt weiter gegangen - soweit, dass die befürchtete Rechtsgutsverletzung bestenfalls noch eine Wahrscheinlichkeit ist. Aus dem Vorfeld des autoritärstaatlichen Gesinnungsstrafrechts berichtet Thomas Uwer.
Darf man Nazis
verteidigen?
Die Verfahren gegen Beate Zschäpe in München und den ehemaligen SS-Mann Oskar Gröning in Lüneburg werfen erneut die Frage auf, ob und wie man (Neo-) Nazis verteidigen kann. Ist eine solche Verteidigung mit dem eigenen Selbstverständnis vereinbar? Jens Janssen und Jasper von Schlieffen nehmen dazu Stellung.
Showdown in Karlsruhe
Im Juni sorgte eine Entscheidung des 2. Strafsenats des BGH für Aufsehen, mit dem ein Urteil des LG Bonn aufgehoben und das Verfahren wegen eines auf einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation beruhenden Verfahrenshindernisses eingestellt wurde (2 StR 97/14). Nicht einmal einen Monat zuvor hatte der 1. Senat noch im Sinne einer Strafzumessungslösung geurteilt (1 StR 128/15). Klaus Malek über Verfahrenseinstellung contra Strafzumessungslösung – und was die Strafverteidigung zum Sieg der Menschenrechtskonvention beitragen kann.
Strafverteidigung ohne Grenzen
Im Juni fand in Lindau das 5. Dreiländerforum Strafverteidigung mit Strafverteidigern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz statt. Von der Tagung berichtet Jan Bockemühl.
Nichts los in
Garmisch-Partenkirchen
Bürgerkriegsähnliche Zustände hatten die Sicherheitsbehörden angekündigt. Doch am Ende war kaum jemand zum Demonstrieren gekommen. Von einem abgeschirmten Gipfel und viel Warterei in GAP bei Elmau berichtet Verina Speckin.
Der Engel und
der Koma-Schläger
Am 16. Juni wurde Senal M. vor der Jugendstrafkammer des Landgerichts Darmstadt der Körperverletzung mit Todesfolge für schuldig befunden und zu drei Jahren und drei Monaten Jugendhaft verurteilt. Das Urteil kam wenig überraschend: Der Beschuldigte hatte zu keinem Zeitpunkt bestritten, einer jungen Frau einen Schlag versetzt zu haben, der dazu führte, dass sie stürzte. Durch den Aufprall auf das Pflaster wurde sie so stark am Kopf verletzt, dass diese kurze Zeit später an den Verletzungen starb. Zur Besonderheit wurde das Verfahren erst durch die große Öffentlichkeit, die dem Fall zuteil wurde. Das Schicksal der Tugce Albayrak beschäftigte wochenlang die gesamte Republik bis hinauf in die höchsten staatlichen Institutionen. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier und Bundespräsident Joachim Gauck kondolierten, der Offenbacher Bürgermeister regte an, eine Mainbrücke nach Tugce Albayrak zu benennen, und Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ durch den Regierungssprecher verlauten, sie habe »große Sympathien« mit dem über eine Internet-Petition verbreiteten Vorschlag, der Getöteten posthum das Bundesverdienstkreuz zu verleihen. Dass die in den Medien verbreitete Darstellung sich in der späteren Hauptverhandlung als gänzlich falsch herausstellte, interessierte nur wenige. Eine Geschichte öffentlicher Vorverurteilung von Thomas Uwer