Heft 4 : Big Data
freispruch # 4 | januar 2014
So viel Rechtspolitik war lange nicht mehr. Nachdem das Strafrecht, gerne auch als Innere Sicherheit gehandelt, im Wahlkampf zur
letzten Bundestagswahl - entgegen aller Absichtserklärungen - keine große Rolle gespielt hat, überrascht die Vielfalt der gesetzgeberischen Vorhaben im Koalitionsvertrag.
Von Klassikern, wie erneuten Änderungen (sprich: Verschärfungen) im Jugendstrafrecht, über die Bekämpfung der Kinderpornografie, wieder einmal Reformen im Sexualstrafrecht, über die Herabsenkung der Hürden für eine Verurteilung wg. Stalking, die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen in Strafverfahren und Stärkung des Adhäsionsverfahrens bis hin zur Einführung des Fahrverbots als Alternative zur Freiheitstrafe enthält der Vertrag eine ganze Bandbreite an geplanten Änderungen im Bereich des Strafrechts. Daneben sollen die Vorschriften zur Kronzeugenregelung und zur Verständigung im Strafverfahren evaluiert werden. Zuviel Eifer verheißt nichts gutes. In kaum einem Punkt des Koalitionsvertrages haben Strafverteidiger/innen eine echte Verbesserung ihrer Stellung und der ihrer Mandant/innen im Strafverfahren zu erwarten.
Bereits in dieser Ausgabe des Freispruchs werden die geplante Einführung der nachträglichen Therapieunterbringung (als Pendant zur seinerzeitigen nachträglichen Sicherungsverwahrung) und die angekündigten Verschärfungen im Prostitutionsrecht behandelt.
Und natürlich wird auch die erneute Debatte um eine Reform der Tötungsdelikte Mord und Totschlag aufgegriffen - auch wenn der Regelungsvorschlag nicht von der Bundesregierung stammt.
Alles andere heben wir uns für später auf.
Thomas Uwer &
Jasper von Schlieffen
Minority Report
Forschungsprogramme arbeiten daran, die Videoüberwachung mit Hilfe von Algorithmen zu perfektionieren, um unerwünschtes Verhalten vorherzusagen. Die notwendigen Daten zur Personenidentifizierung stammen aus dem Internt - von Benjamin Kees
Kommissar Computer
Nur in der Printausgabe !
Beim BKA werden Verbundsdateien der Polizei zusammengeführt. Damit will sich die Polizei ihr eigenes Big Data schaffen - von Lea Voigt
Zahlenspiele
Die NSA-Affaire lehrt: Auch deutsche Nachrichtendienste müssen einer Revision unterzogen werden. von Martin Roddewig
Elastische Todesstrafe
Mordparagraph und lebenslange Freiheitsstrafe gehören zusammen. Die notwendige Reform der Tötungsdelikte Mord- und Totschlag muss daher endlich auch die lebenslange Freiheitsstrafe abschaffen. von Thomas Scherzberg
Policecamp Hamburg
Ich bin ein Anwohner, holt mich hier raus!
Über Hamburger Gefahrenbereiche schreibt Annika Hirsch
Smer, nicht Crème
Indem sich die Dirne wegwirft, lässt sie das hohe Lied der Liebe erklingen, und der Freier, der sie verachtet, bekennt: dass es um unser Liebes- und Geschlechtsleben elendig bestellt ist. \ 16 Sexualwissenschaftliche Thesen zur Prostitution von Volkmar Sigusch
Das System Moral
In einem von zahlreichen Prominenten unterstützten Appell fordert die Publizistin Alice Schwarzer »das System Prostitution« zu unterbinden und die Prostitution abzuschaffen. Auch die Große Koalition plant, das Prostitutionsrecht repressiver zu gestalten. Ein Fehler, meint Margarete von Galen
Lob der Schleuser
Wer Menschen in Not hilft ist kein Verbrecher. Ein Lob der Schleuser von Axel Nagler
Der Deutsche, der Eichmann vor Gericht brachte
Nur in der Printausgabe !
1933 wurde der damalige Amtsrichter Fritz Bauer von der Gestapo festgenommen und im KZ Heuberg inhaftiert. 1936 emigrierte er nach Dänemark und floh von dort weiter nach Schweden. Nach seiner Rückkehr 1949 war er in Braunschweig zuerst Ankläger in den sog. Remer-Prozessen, seit 1956 als hessischer Generalstaatsanwalt tätig. Unter seiner Leitung wurden Ermittlungsverfahren gegen das SS-Personal des Vernichtungslagers Auschwitz eingeleitet, die 1963 zur Eröffnung des Frankfurter Auschwitz-Verfahrens führten.
Ronen Steinke hat jetzt eine lesenswerte Biografie vorgelegt.