Verteidigung ist Krampf
Der Alltag von Strafverteidigern ist oft frustrierend, der Glanz prominenter Fälle verblasst im tristen Justizalltag. Spätestens ab dem zehnten Berufsjahr besinnen sich Jurist*innen daher gerne auf lang verschüttete Begabungen, sammeln Kunst, umsegeln die Welt oder ziehen sich für »literarische Verpflichtungen« auf eine Berghütte oder auf den Peloponnes zurück. Zwei Strafverteidiger und eine Strafverteidigerin aus NRW haben ihre im Justizalltag brachliegende Begabung anders genutzt.
Als StGB-Kabarett bringen sie Zuschauer zum Lachen und reflektieren so den vielen unbekannten Alltag an deutschen Strafgerichten. Jasper von Schlieffen sprach mit den drei Mitgliedern des ‚StGB-Kabaretts‘, das bereits zwei Programme über die deutsche Strafjustiz auf die Bühne gebracht hat.
JvS: Wieso macht Ihr ein Kabarettpro-gramm zur Strafjustiz?
AGB: Wir drei haben einige Jahre zusammen in einer Kanzlei gearbeitet und uns jeden Mittag beim Essen gegenseitig unsere Erlebnisse aus den Gerichtssälen erzählt. Und dabei wurde sehr viel gelacht. Bis wir irgendwann einmal zu dem – nicht ganz ernst gemeinten – Schluss gekommen sind: Wenn es mal irgendwann mit der Strafverteidigung nicht mehr klappt, machen wir Kabarett. Im Sinne von: Wir bauen uns ein zweites Standbein auf, auf dem wir dann auch nicht stehen können.
S: Und dann hat die Kollegin uns anlässlich ihres 40. Geburtstages und später ihrer Silberhochzeit gebeten, als Programmpunkt eine juristische Kabarettnummer vorzuführen. Und so sind die ersten Texte entstanden.
T: Zur zweiten Feier im Jahre 2014 sind sogar so viele Texte entstanden, dass wir uns kurz darauf entschieden haben, nun einmal zu dritt ein ganzes Programm auf die Beine zu stellen. Durch unsere jahrelangen Kontakte zu dem ehemaligen Gefängnispfarrer der JVA Wuppertal, der mittlerweile in Wuppertal u.a. der Leiter einer vorwiegend kulturell genutzten Kirche ist, hatten wir dann auch schnell den Standort für unser Premierenprogramm gefunden. Im Oktober 2015 wurde dann »Ersttäter« uraufgeführt.
JvS: Wie ist es gelaufen?
S: Die Besucher waren viel zufriedener mit dem Auftritt als wir selbst. Wahrscheinlich sind die auch mit der Einstellung gekommen: am besten nichts erwarten.
AGB: Es war auf jeden Fall eine sehr positive Reaktion und wir hatten – nach anfänglicher Nervosität – auch eine Menge Spaß. Insofern hat es uns dazu ermutigt weiterzumachen.
JvS: Wer kam zu Euren Auftritten?
AGB: Das perfekte Publikum für uns beinhaltet aber natürlich viele Juristen bzw. Strafjuristen, denn die verstehen dann wirklich alle Spitzen, die den Nichtjuristen verborgen bleiben. Wenn unsere Figur des »Pflichtverteidigers« seine Arbeit mit den Worten »Verteidigung ist Krampf« zusammenfasst, weiß natürlich zumindest jeder Strafverteidiger, dass dieser Mann den Satz von Hans Dahs irgendwie missverstanden hat. Für Unwissende fehlt natürlich diese Ebene.
JvS: Wie darf ich mir ein »Strafjustiz-Kabarett« vorstellen?
S: Der erste Sketch war eine Beratungssituation im höchsten Revisionsgericht. Aus dem Zwei-Personen-Stück ist mittlerweile ein Drei-Personen- Stück geworden, was ja vor allem des-
wegen nicht völlig an der
Realität vorbei ist, weil sich
das Zehn-Augen-Prinzip
nirgendwo richtig durchgesetzt hat.
Dass also drei von fünf
Richtern beraten, ist in
Zeiten des Vier-Augen-Prinzips eigentlich schon überobligatorisch. Dort werden dann halt verschiedene Akten besprochen, wobei man natürlich hin und wieder thematisch abschweift und über Gott, das Recht und die Welt redet.
AGB: Zwei Nummern in dieser Konstellation waren bisher in beiden Programmen das Herzstück, also auch in »Wiederholungstäter«, das im Oktober 2016 Uraufführung hatte.
T: Darüber hinaus hatten wir uns vorgenommen, Prototypen des Strafprozesses zu Wort kommen zu lassen, um so hinter die Fassaden blicken zu können. So ist die bereits angesprochene Figur des »Pflichtverteidigers« in beiden Programmen ebenso vertreten wie die des »Strafrichters«.
AGB: Ich habe im ersten Programm eine »Prozessveranstalterin« verkörpert, also quasi eine Reiseleiterin, die sich auf Reisen zu den spektakulärsten und interessantesten Strafprozessen in der Republik spezialisiert hat. Dazu passt sehr schön – was wir erst später erfahren haben –, dass das Ministerium für Justiz und Europa in Baden-Württemberg mittlerweile auch für den Tourismus zuständig ist. Hier besteht offensichtlich ein enger Zusammenhang. Hinzu gekommen ist im neuen Programm eine »Nebenklagevertreterin«, die sich zur Gegenwart und Zukunft der Gesetzgebung im Sexualstrafrecht äußert.
JvS: Es gibt bereits Kabarett über Juristen oder die Justiz. Werner Koczwara fällt einem ein, aber auch z.B. das Stuttgarter Juristenkabarett oder das Richterkabarett. Gibt es da Gemeinsamkeiten oder hatten diese Vorgänger möglicherweise sogar eine Art Vorbildfunktion?
T: Nein, damit haben wir uns nicht auseinandergesetzt. Was ich von Koczwara
oder dem
Juristen-
kabarett
im Internet
gesehen
habe,
unterscheidet
sich doch
sehr stark
von dem, was
wir tun. Das
heißt aber
natürlich nicht,
dass wir nicht Vorbilder
hätten. Der »Inspirator«
für unser Kabarett war
in allererster Linie Gerhard Polt, dessen Figuren sich ja auch hin und wieder mit der Justiz konfrontiert sehen. In diese Richtung wollten wir von Anfang an gehen, auch wenn uns bewusst war, dass wir qualitativ vermutlich niemals in seine Nähe kommen würden. Ich weiß zum Beispiel nicht, ob wir jemals die Figur »Der Kronzeuge« auf die Bühne bringen werden, denn diese Figur hat Polt schon vor über zwanzig Jahren in seinem Sketch über das Oktoberfest (»Der Nobelpreisträger«) unübertrefflich dar
gestellt. Besser geht es einfach
nicht. Aber wer die Art von
Polt mag, der wird sich
bestimmt auch bei uns amüsieren.
JvS: Wie wird es weitergehen?
T: Zunächst einmal würden wir die beiden Programme natürlich gerne noch des Öfteren aufführen. Nach dem Gesetz der Serie müsste aber im Oktober 2017 schon das dritte Programm Premiere feiern. Der Titel »Bewährungsversager« steht auch schon, ebenfalls sind bereits viele Texte fertig...
AGB: Aber wir sollten uns trotzdem erst einmal auf die ersten beiden Programme konzentrieren, da haben wir genug zu tun. Schließlich werden wir unseren »Tagesjob« Strafverteidiger auch in Zukunft mit gleichbleibendem Engagement ausüben. Aber wenn Strafverteidigervereinigungen oder auch die Richterakademie Feste feiern, bei denen Kabarett dargeboten werden soll, kann man sich gerne an uns wenden.
S: Es sollte vielleicht noch erwähnt werden, dass wir »Wiederholungstäter« professionell haben aufzeichnen lassen, so dass sich jeder, der Interesse hat, auf unserer Homepage
www.stgb-kabarett.de
ein paar Ausschnitte
ansehen kann.
Das StGB-Kabarett sind Andrea Groß-Bölting (AGB), Jochen Strauß (S) und Jochen Thielmann (T).