Strafverteidigertag Rechtspolitik

Kennzeichungspflicht für Polizeibeamte

Noch immer besteht nicht in allen Bundesländern eine
Kennzeichnungspflicht für uniformierte Polizeibeamte in
geschlossenen Einheiten; unabhängige Beschwerdestellen
existieren bisher überhaupt nicht. Der Menschenrechtskommissar des Europarats und das UN-Antifolter-Komitee haben Deutschland für diesen Zustand, der gegen völkerrechtliche Pflichten verstößt, wiederholt gerügt. von Marco Noli

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Kennzeichnungspflicht in Deutschland : Der aktuelle Stand in den Bundesländern:

Berlin hat die Kennzeichnungspflicht 2011 als erstes Land eingeführt. Die Einführung erfolgte in Form einer verwaltungsinternen Dienstvorschrift des Polizeipräsidenten, und nicht durch Gesetz, weshalb diese für in Berlin agierende Polizeibeamte aus anderen Bundesländern nicht gilt.

Brandenburg hat 2013 als erstes Bundesland eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten durch Gesetz eingeführt (übrigens auf Antrag der Oppositionspartei CDU). In Rheinland-Pfalz gilt ebenfalls eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht seit 2014, in Hessen wurde sie nun mehr beschlossen und soll Anfang 2015 eingeführt werden.

In Bremen wurde die Kennzeichnungspflicht im Sommer 2014 (ebenso wie in Schleswig-Holstein 2012) durch Erlass des Innenministeriums, nicht durch Gesetz, zumindest für geschlossene Einheiten eingeführt - nachdem dies die rot-grüne Regierung bereits im Koalitionsvertrag vom 28.06.2011 beschlossen hatte.
Auch die rot-grüne Landesregierung in Baden-Württemberg hatte die Einführung im Koalitionsvertrag vereinbart. Immerhin wird nun eine Arbeitsgruppe des Innenministeriums ab Januar 2015 einen konkreten Vorschlag erarbeiten.

In manchen dieser Länder gilt die Kennzeichnungspflicht nur für Großeinsätze von geschlossenen Einheiten, wobei sie freilich dort am nötigsten ist. Bevorzugtes Modell ist dabei eine fünfstellige Nummer.
Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen (jeweils rot-grün) haben ebenfalls die Einführung einer anonymisierten Kennzeichnung im Jahr 2015 beschlossen. Wenn dies umgesetzt ist, werden im Jahr 2015 neun Bundesländer eine Kennzeichnungspflicht - zumindest für geschlossene Einheiten - haben.
In Thüringen haben die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag (im November 2014) die Einführung der Kennzeichnungspflicht für geschlossene Einheiten vereinbart.

In den Ländern Bayern, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt gibt es noch immer keine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte bzw. keine Beschlüsse zu deren Einführung. Aber auch in diesen Ländern gibt es Diskussionen.

In Bayern hatte in einer Anhörung im Landtag auch ein Vertreter der Staatsanwaltschaft die Einführung der Kennzeichnungspflicht gefordert, da Polizeibeamte mangels individueller Kennzeichnung nicht als Zeugen oder Beschuldigte zur Verfügung stünden. In Hamburg ist die regierende SPD zwar für die Kennzeichnungspflicht, möchte diese aber nur in Abstimmung mit den Polizeigewerkschaften einführen, die sich jedoch mit aller Macht dagegen stemmen.|1 Daher erfolgte bisher keinerlei Umsetzung (nächste Bürgerschaftswahl am 15. Februar 2015). In Sachsen-Anhalt gab es 2014 einen aufsehenerregenden Fall, bei dem ein Polizist vom Vorwurf der Körperverletzung freigesprochen wurde. Ein Demonstrationsteilnehmer war von einem Polizeibeamten schwer verletzt worden (Verlust eines Hodens). Die eindeutige Identifizierung scheiterte an mangelnder individueller Kennzeichnung. In Sachsen-Anhalt gibt es zwar seit 2012 Namensschilder für Polizisten, dies gilt aber gerade nicht für geschlossene Einheiten, die etwa bei Demonstrationen eingesetzt werden. Die schwarz-rote Regierungskoalition lehnt bisher ab, diese Lücke zu schließen, obwohl die SPD dafür ist, aber aus »Koalitionszwang« dagegen stimmte (nächste Landtagswahl Frühjahr 2016). In Sachsen gibt es bisher keine Kennzeichnungspflicht und die (große) Koalition hat deren Einführung auch nicht ausdrücklich in den Koalitionsvertrag vom November 2014 aufgenommen. Im Saarland soll es zwar eine »freiwillige« Kennzeichnung geben, aber die generelle Kennzeichnungspflicht scheitert bisher an der CDU bzw. dem Widerstand der Polizeigewerkschaften. In Mecklenburg-Vorpommern (rot-schwarz, nächste Landtagswahl 2016) könnte das Thema im Jahr 2016 wieder auf die Tagesordnung kommen.

Auf Bundesebene gibt es noch keine Kennzeichnungspflicht für Beamte der Bundespolizei, obwohl auch diese - z.B. in Amtshilfe bei Versammlungen - in geschlossenen Einheiten auftritt. Die SPD-Fraktion hat sich (zumindest in einem Positionspapier) für deren Einführung ausgesprochen.|2

Die Kennzeichnungspflicht wird also entweder gesetzlich in den Landes-Polizeigesetzen oder als verwaltungsinterner Erlass ausgestaltet. Anders als bei einer verwaltungsinternen Geschäftsanweisung bzw. einem Erlass müssen bei einer gesetzlichen Vorschrift im Landes-Polizeigesetz nicht nur die Polizisten der jeweiligen Länder Nummern tragen, sondern auch dort zur Unterstützung eingesetzte Beamte aus anderen Bundesländern. Andererseits müssen aktuell Berliner Polizisten, wenn sie in anderen Bundesländern (z.B. Bayern) eingesetzt werden, Nummern tragen, egal ob dort die Kennzeichnungspflicht schon besteht oder nicht.
Von Polizeigewerkschaften wird oftmals die Befürchtung ins Feld geführt, die namentliche Kennzeichnung führe zu einer höheren Gefährdung für Polizeibeamte und deren Familien. Hierfür gibt es keine Belege, weder national noch international.

Die Antwort des CDU-Innensenators in Berlin auf eine Anfrage im Jahr 2013, also zwei Jahre nach Einführung der Kennzeichnungspflicht, bestätigt in eindeutiger Weise, dass sich sämtliche (angebliche) Befürchtungen nicht bestätigt haben.|3 Es gab weder eine »Flut von Strafanzeigen gegen Polizisten«, noch wurden private Daten von Polizisten öffentlich oder Polizisten bedroht, deren Privatsphäre ausspioniert oder Angehörige angegriffen (insgesamt 0 Fälle).

Situation im Ausland

In den meisten EU-Ländern gibt es eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte, unter anderem in Italien, Belgien, Frankreich, Spanien, Tschechien, Slowakei, Polen, Rumänien, Ungarn, meist in Form einer deutlich sichtbaren Nummer am Einsatzanzug.

Auch in den USA gibt es eine individuelle Kennzeichnung durch Namensschilder an der Uniform.
Auch hier stellt sich die Frage, ob die deutschen Bereitschaftspolizisten, die (auf fragwürdiger Rechtsgrundlage) auch bei der Fußball-Europameisterschaft 2016 in Frankreich wieder im Ausland zum Einsatz kommen dürften, nach den französischen Gesetzen gekennzeichnet werden müssen. Bei Frankreichs Polizei sind Polizisten zum Tragen eine Identifikationskarte mit Namen, Dienstgrad und Dienstadresse verpflichtet.|4 Oder sind dann etwa die bayerischen USK-Beamten im Ausland am gefragtesten, weil diese noch anonym agieren können?

Aktuell gibt es eine Petition, die von der Organisation EDA (Europäische Demokratische Anwältinnen und Anwälte) unterstützt wird, und die sich an den Präsidenten der Europäischen Kommission, die Europäische Kommission und an die Kommission für Menschenrechte des Europäischen Parlaments wendet. Mit dieser Bittschrift wird dazu aufgefordert, eine europäische Richtlinie zu erlassen, die EU-weit die Identifizierung von Polizeibeamten auf Grundlage einer Entscheidung des Europäischen Parlaments ermöglicht.

Völkerrechtliche Verpflichtung

Die individuelle Kennzeichnung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ist nicht nur aus den Erfahrungen der (anwaltlichen) Praxis sondern aus rechtlichen Gründen zwingend erforderlich. Dies ergibt sich einerseits aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs.3 GG) und dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) und den internationalen und völkerrechtlichen Verpflichtungen, die sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und der UN-Antifolterkonvention ergeben.

Nach der Antifolterkonvention der Vereinten Nationen (CAT) vom 10.12.1984 (BGBl. 1990 II S.246) - ein völkerrechtlicher Vertrag, dem auch die Bundesrepublik Deutschland beigetreten ist - sind die Vertragsstaaten verpflichtet sicherzustellen, dass alle Vorwürfe über Misshandlungen durch Polizeibeamte unverzüglich und gründlich von unabhängiger Stelle untersucht werden (Art. 12, 16 CAT).

Dies ergibt sich auch aus der Europäischen Antifolterkonvention des Europarats vom 26.11.1987 (vgl. Ziffer VII. der CPT-Standards des Europäischen Antifolter-Komitees aus dem Jahre 2010). Außerdem hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) immer wieder unterstrichen, dass solche Ermittlungsverfahren nur dann effektiv sind, wenn sie zur Identifizierung des Täters führen. Ein Verzicht auf individuelle Kennzeichnung stellt einen Verstoß gegen Art. 3 und Art.13 EMRK (Ermittlungspflicht) dar.
Vom UN-Antifolterkomitee (vgl. Abschlussbericht der 47. Sitzung vom 25.11.2011) wird unter Berufung auf den völkerrechtlichen Vertrag der UN-Antifolterkonvention (CAT) u.a. die Identifizierbarkeit von Polizisten gefordert. Da das Fehlen unabhängiger Ermittlungen und fehlende individuelle Kennzeichnung in der Bundesrepublik Deutschland kein Einzelfall ist und Deutschland damit gegen völkerrechtliche Verpflichtungen aus der Antifolterkonvention der Vereinten Nationen (CAT) verstößt, hatte das Antifolter-Komitee der Vereinten Nationen in seinem letzten Deutschland-Bericht vom 25.11.2011 (unter Ziffer 19) diese Praxis ausdrücklich gerügt:
»Der Ausschuss bringt daher erneut seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass auf Bundesebene wie auch in einigen Bundesländern keine unabhängigen und wirksamen Ermittlungen bei Misshandlungsvorwürfen stattfinden.«

Zuvor wurde diese Praxis bereits durch den Menschenrechtskommissar des Europarats Thomas Hammarberg moniert (Bericht vom 11.07.2007 über seinen Deutschlandbesuch im Oktober 2006). Da sich jedoch in der Folgezeit in Deutschland diesbezüglich nichts getan hat, wiederholte dieser seine Forderungen nach seinem Deutschlandbesuch im Oktober 2010 erneut in seinem Brief vom 15. November 2010 an Bundesinnenminister Dr. De Maiziere. Hinsichtlich des Verhaltens von Polizeibeamten ruft der Kommissar darin die deutschen Bundes- und Landesbehörden zu einer Verbesserung der bereits bestehenden Apparate auf, indem ein unabhängiges Organ für Beschwerden gegen die Polizei eingerichtet wird. Hammarberg erwartet von der deutschen Bundesregierung auch, ihm mehr Informationen über die verabschiedeten Maßnahmen zur Erkennung der Identität einzelner Polizeibeamte zu geben, vor allem, wenn ihre Ausstattung und Uniform eine Identifikation unmöglich machen.

»In einer Demokratie ist es von äußerster Wichtigkeit, dass die Bevölkerung der Polizei vertraut. Die Basis dafür kann jedoch nur geschaffen werden, wenn die Polizeikräfte Transparenz auf ganzer Linie zeigen und für ihr Handeln zur Verantwortung gezogen werden können«, fügte der Kommissar hinzu. Er fordert ausdrücklich eine individuelle Kennzeichnung zumindest durch Nummern an der Uniform.

Unabhängige Beschwerdestellen

Diese Feststellungen zeigen, dass polizeiliche Kennzeichnungspflicht alleine nicht genügt, sondern unabhängige und wirksame Ermittlungen sichergestellt werden müssen. Dies ist in der Bundesrepublik strukturell nicht gewährleistet, was u.a. mit der Nähe der Staatsanwaltschaft und der Polizei zu tun hat. Über die Ursachen und eindeutigen Statistiken wurde schon mehrmals berichtet. Meist ist die Staatsanwaltschaft des Bezirks des beschuldigten Polizeibeamten für die Ermittlungen zuständig, nicht selten ermittelt eine Dienststelle desselben Polizeipräsidiums.

Diese Praxis wurde ebenfalls durch den Menschenrechtskommissar des Europarats Thomas Hammarberg moniert. In dem Bericht vom 11.07.2007 über seinen Deutschlandbesuch im Oktober 2006
»...ruft der Kommissar die deutschen Behörden auf, zu diesem Zweck unabhängige Beobachtungs- und Beschwerdegremien einzurichten. Die Unabhängigkeit dieser Beobachtungsgremien kann nur wirksam gewährleistet werden, wenn sie außerhalb der Polizei- und Ressortstrukturen angesiedelt werden.«
Auch das UN-Antifolterkomitee hatte im Bericht vom 25.11.2011 (s.o.) moniert, dass »keine unabhängigen und wirksamen Ermittlungen bei Misshandlungsvorwürfen stattfinden«.

In Deutschland gibt es bis heute auf Bundes- und Landesebene keinerlei unabhängige Beschwerdestellen bei Misshandlungsvorwürfen betreffend Polizeibeamten.

Die »Nationale Stelle zur Verhütung von Folter«|5 ist zwar eine unabhängige nationale Einrichtung zur Prävention von Folter und Misshandlung in Deutschland. Die Nationale Stelle vereint unter ihrem Dach die Bundesstelle und die Länderkommission. Ihre Einrichtung beruht auf dem Zusatzprotokoll zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. Sie hat die Aufgabe, regelmäßig Orte der Freiheitsentziehung aufzusuchen, auf Missstände aufmerksam zu machen und Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. Ihr Tätigkeitsbereich ist jedoch hierauf beschränkt und die finanzielle Ausstattung ist derart dürftig (300.000 Euro jährlich), dass eine effektive Arbeit kaum möglich ist. Für die Kontrolle der Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, also Beschwerden gegen konkretes Polizeiverhalten, ist die Stelle nicht zuständig. Daher kann sie eher als völkerrechtliches Feigenblatt bezeichnet werden.

In Hamburg war 1998 eine Polizeikommission eingerichtet und nach nur drei Jahren wieder aufgelöst worden. In Sachsen-Anhalt gibt es eine Zentrale Beschwerdestelle im Innenministerium, die jedoch für Beschwerden über polizeiliches Fehlverhalten nicht zuständig ist.

Zum 1. Juli 2014 wurde in Niedersachsen eine »Beschwerdestelle für Bürgerinnen und Bürger und Polizei« eingerichtet.|6 Sie nimmt Beschwerden und Anregungen von Bürgerinnen und Bürgern und Beschäftigten der Polizei entgegen, die den Geschäfts- und Tätigkeitsbereich des Innenministeriums betreffen, also auch polizeiliches Verhalten. Auf der Homepage wird zugesagt, dass den Beschwerden nachgegangen würde und auch ein übergreifendes Qualitäts- und Ideenmanagement ermöglicht werden soll. Die Stelle bezeichnet sich mit folgender (bemerkenswerter) Formulierung fälschlicherweise als »unabhängig«: »Als unabhängige Stabstelle sind wir direkt dem Staatssekretär unterstellt.« Jedenfalls wird zu Recht kritisiert, dass die neu geschaffene niedersächsische Beschwerdestelle damit in keiner Weise den etablierten Kriterien für eine unabhängige Kontrollinstanz zur Untersuchung von Polizeigewalt gerecht wird. Dies würde mindestens voraussetzen, dass die Kontrollinstanz nicht an die Exekutive angebunden ist.|7

In Sachsen soll eine »unabhängige zentrale Beschwerdestelle der sächsischen Polizei im Staatsministerium des Innern« eingerichtet werden. Im Koalitionsvertrag (vom November 2014) heißt es dazu: »Sie soll als Ansprechpartner für die Bürger und die Beschäftigten der Polizei dienen. Ein solches Beschwerdemanagement bietet der Polizei die Chance, fehlerhaftes Verhalten zu erkennen und abzustellen und eröffnet gleichzeitig die Möglichkeit, Notwendigkeiten des polizeilichen Handelns gegenüber den Bürgern zu erläutern und transparent zu machen. In der polizeilichen Aus- und Fortbildung sollen die Themen Kommunikation, Deeskalation und Antidiskriminierung gestärkt werden.« Auch hier soll es sich also wie in Niedersachsen um eine beim Innenministerium angesiedelte Stelle handeln.

Von Menschenrechtorganisationen und Parteien werden zwei verschiedene Modelle unabhängiger Beschwerdestellen diskutiert. Ein Modell sieht einen Polizeibeauftragten vergleichbar dem Datenschutzbeauftragten vor, quasi eine parlamentarische Ombudsstelle. Ein anderer Vorschlag fordert eine vom Parlament gewählte Kommission. In beiden Fällen soll sich die Instanz von sich aus oder auf Beschwerde mit polizeilichen Vorgängen beschäftigen, bei denen Grundrechte betroffen sind. Dabei soll die Institution weitreichende Auskunfts- und Betretensrechte haben. Gefordert werden auch weitreichendere Ermittlungsbefugnisse, wie Zeugenbefragungen, Durchsuchungen etc. Allerdings stößt dieser Punkt auf besonderen Widerstand der Gegner von unabhängigen Ermittlungen.

Beispiel Österreich

In Österreich sind die völkerrechtlichen Vorgaben zur Kontrolle der Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch staatliche Organe deutlich besser und menschenrechtsfreundlicher umgesetzt als in Deutschland.

Die sog. »Volksanwaltschaft«|8 in Österreich ist quasi als parlamentarischer Ombudsmann zur Kontrolle der öffentlichen Verwaltung eingerichtet und wird durch sechs regionale Expertenkommissionen unterstützt und vom sog. »Menschenrechtsbeirat« beraten, in dem wiederum u.a. Vertreter der Zivilgesellschaft vertreten sind. Die Volksanwaltschaft hat zwar keine eigenen Ermittlungsbefugnisse zu Befragungen oder Durchsuchungen, aber ausdrückliche Beobachtungs- und Prüfungskompetenzen (Beobachtung polizeilicher Großeinsätze, unangekündigten Besuch von Dienststellen der Exekutive, auf Wunsch Kontaktaufnahme mit Inhaftierten, Verpflichtung des Dienststellenleiters von Auskünften und Akteneinsicht, Empfehlungen an das BMI). Zudem gibt es in Österreich insofern eine strukturelle Unabhängigkeit bei Ermittlungen gegen Polizeibeamte, dass nicht die Staatsanwaltschaft des Tatortes zuständig ist, und auch nicht die Nachbarstaatsanwaltschaft, sondern eine aus einem anderen Bundesland.

Fazit: Die völkerrechtlichen Pflichten verlangen als Mindeststandard für eine menschenrechtskonforme Kontrolle polizeilichen Verhaltens zumindest eine Kennzeichnung von uniformierten Polizisten und unabhängige Beschwerdeinstanzen. Diesen Pflichten kommt die Bundesrepublik trotz zahlreicher Rügen der Vereinten Nationen und des Menschenrechtskommissars noch immer nicht ernsthaft nach.

Marco Noli arbeitet als Strafverteidiger in München. Er ist Mitglied der Initiative Bayerischer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger.

Anmerkungen:

1 : http://www.publikative.org/2012/12/03/kennzeichnungspflicht-fur-polizisten-wenigstens-ein-bisschen/
2 : http://www.spdfraktion.de/sites/default/files/positionspapier_kennzeichnungspflicht.22.05.12.pdf
3 : http://polizei-grün.de/wp-content/uploads/2014/07/Kleine-Anfrage-zur-Kennzeichnungspflicht-im-Landesparlament-Berlin-vom-26.02.2013.pdf
4 : https://www.bundestag.de/blob/191806/74ebec119bb90fdcf3cd9acf18a3118b/kennzeichnungspflicht_polizei-data.pdf
5 : http://www.nationale-stelle.de/index.php?id=83
6 : http://www.mi.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=35117&article_id=125825&_psmand=33
7 : http://www.buerger-beobachten-polizei.de/images/content/files/AI-HU-Komitee-Liga-RAV2012_Kriterien-unabh-Polizeikontrolle.pdf
8 : http://volksanwaltschaft.gv.at/

Marco Noli: Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamten, in: Freispruch, Heft 6, Februar 2015

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