Gesetzliche Regelung von Absprachen im Strafverfahren?

oder: Soll Informelles formalisiert werden?* von Eberhard Kempf

Eröffnungsvortrag des 33. Strafverteidigertages, Köln 2009

 

Christian Richter war für diesen Vortrag vorgesehen. Sein Thema wäre gewesen: »Was ist, was kann, was darf und was soll Verteidigung?«. Der Kölner Rechtsanwalt, schreibt der Spiegel in seinem Nachruf|1,

»gehörte zu jener selten gewordenen Spezies von Strafverteidigern, die sich nicht hinter den Kulissen auf einen Kuhhandel mit der Justiz einlassen«.

Ihm ist mein Vortrag gewidmet. Mein Thema ist die Frage: »Gesetzliche Regelung von Absprachen? oder: Soll Informelles formalisiert werden?«

»‘Über die Strafhöhe kann man reden‘, sagte Richter Schemkämper in der Hauptverhandlung gegen die Pächterin einer Düsseldorfer Traditionskneipe, als deren Verteidiger vorrechnete, dass die geforderten Tagessätze um das Dreifache höher seien, als das, was seine Mandantin zahlen könne. Aber als der Verteidiger gleich zu Beginn wegen eines Verfahrensfehlers die Einstellung des Verfahrens beantragt, winkt der Richter nur freundlich ab: ‚Danke für das Repetitorium‘, sagt er und belehrt den Anwalt seinerseits: Ob er wirklich wolle, dass die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift in allen Details vorlese, fragt der Richter ungläubig und schaut auf Uhr, als der Verteidiger die Zahlenkolonnen dann tatsächlich zu hören verlangt. Und als dieser später beantragt, zusätzlich zu den Steuerakten, die Gegenstand der Anklage sind, noch die früherer Jahre einzusehen, sieht der Richter wieder auf die Uhr. ‚Wir können über alles reden, aber wenn sie weitere Akten sehen wollen, ist die Sache für heute beendet‘, sagt er und atmet hörbar aus.«|2

Dieses Alltagsgeschehen in der Strafjustiz, das sich wie zur besseren Kon-trastierung am selben Tag zugetragen hat, als Dr. Klaus Zumwinkel vor dem Landgericht Bochum stand, führt uns mitten in unser Thema: Deal und kein Ende! werden Sie sagen. Und doch müssen wir, wo der Bundestag den Regierungs-»Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Absprachen im Strafverfahren«|3 bereits in erster Lesung behandelt hat|4, uns unserer Position vergewissern, bevor es zu spät ist.

Die einen rufen:

- »Konsens schafft Rechtsfrieden«|5,
- das »Konsensprinzip« als »spezifische Legitimation« für eine Abkehr vom Aufklärungsgrundsatz bei Absprache eines Strafurteils|6,
- die Sicherung und Erhaltung der »Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege«, die nach dem Aufschrei des Großen Senats vom 3. März 2005|7 »unter den gegebenen - rechtlichen wie tatsächlichen - Bedingungen … ohne die Zulassung von Urteilsabsprachen durch richterrechtliche Rechtsfortbildung« nicht mehr gewährleistet sei.

Die anderen entgegnen:

- »der Rechtsstaat auf dem Weg in die ‚Bananenrepublik’«|8,
- »Wetterzeichen vom Untergang der deutschen Rechtskultur - Die Urteils-absprachen als Abgesang auf die Gesetzesbindung der Justiz«|9,
- »Absprachendroge« und trocken zu legender »Sumpf«|10
- »Verlust von Rechtssicherheit«|11, Auflösung der Grundlagen des Strafverfahrens in Beliebigkeit und Willkür|12.

Das Thema hat den Deutschen Juristentag 1990 beschäftigt|13. Das Bundesministerium der Justiz hat 2005 einen »Referentenentwurf eines Gesetzes zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren«|14 veröffentlicht. Der Bundesrat hat am 31. Januar 2007 einen Gesetzentwurf eingebracht|15. Der 28. Strafverteidigertag 2004 in Karlsruhe wurde mit dem Vortrag von Hartmut Wächtler über den »Bedeutungsverlust der Hauptverhandlung« eröffnet|16. Auf dem 30. Strafverteidigertag 2006 hat Alexander Ignor zum Thema vorgetragen|17 und eine Arbeitsgruppe darüber diskutiert|18. Der Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer hat 2005 einen eigenen Gesetzesvorschlag vorgelegt|19, der Strafrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins umgekehrt scharf darauf erwidert|20. Der Große Senat des Bundesgerichtshofs hat mit seinem Beschluss vom 3. März 2005 nach dem Gesetzgeber gerufen. Richter Fischer vom 2. Strafsenat hat an den Gesetzgeber appelliert, »die Einführung eines (isolierten) Absprache-Verfahrens in die StPO sollte von einem verantwortlichen, am Überleben der wertvollen Teile unserer Strafprozess-Kultur interessierten Gesetzgeber sofort gestoppt werden«|21.

Die Literatur sowohl der unbedingten Verfechter wie der radikalen Gegner einer gesetzlichen Regelung von Absprachen ist unübersehbar|22. Am Ende einer langen Auseinandersetzung kann es hier nur um eine Zusammenfassung und - wo es sein muss - auch um eine Zuspitzung der Argumente gehen.

Dem Stand der Debatte entsprechend will ich nur die mir zentral erscheinenden Fragen anschneiden, um zum Schluss kurz wenigstens auf den aktuellen Regierungsentwurf zu sprechen zu kommen. Meine Gliederung liegt Ihnen vor. Ich hoffe, dass das zur besseren Verständlichkeit meines Vortrags beiträgt.

I. Die größten Kritiker der Elche waren früher selber welche
(und sind es heute noch)

Strafverteidiger können zum Thema gesetzlicher Regelung von Absprachen in der Strafprozessordnung nicht vorbehaltlos sprechen. Wir waren es, die maßgeblich dazu beigetragen haben, Absprachen zu praktizieren.|23 Hans-Joachim Weider hat als einer der ersten über den »Strafprozessualen Vergleich« geschrieben.|24 Er war es auch, der - zu Recht - von der »unseligen Allianz aus Tatrichtern, Staatsanwälten und Verteidigern« gesprochen hat|25, die den »gegen elementare Grundsätze der StPO verstoßenden rechtswidrigen Deal« durchgesetzt hat. Weider hat - aus eigener Erfahrung - beschrieben, wie wir »in den Anfängen des Deals in den 70er und 80er Jahren […] gute und akzeptable Ergebnisse« erzielen konnten, und zur besseren Erklärung des Hintergrundes, ohne den diese Entwicklung nicht verständlich wäre, Hanack zitiert, der von dem »neuen Typ des neuen Strafverteidigers« geschrieben hat, dem

»Typ eines sehr engagierten und grundsätzlich seriösen, oft höchst kundigen Verteidigers, der die weiten und äußersten Möglichkeiten unserer Prozessordnung, anders als die Generation vor ihm, nicht nur ausnahmsweise nutzt; sondern der im Interesse seines Mandanten, auch wenn er ihn für schuldig hält, in alle gesetzlichen Freiräume vorstößt und dabei Verteidigungsstrategien entwickelt, die gerade auf die typischen Schwachpunkte unserer Justiz zielen.«|26

Diese engagierten Verteidiger konnten, so Weider über die Anfangszeiten des Deals, »den Gerichten den Deal aufzwingen«.|27

Kein Zweifel: Wir Verteidiger sind ausschließlich den Interessen unserer Mandanten verpflichtet. Wenn wir in diesem Interesse Urteile aushandeln und absprechen, ist das, wie Fischer betont hat, »weder verwunderlich noch unmoralisch.«|28

Das Handeln der Verteidigung ist - bis auf wenige Grenzfragen - gesetzlich nicht geregelt. Verteidigung handelt somit ohnehin weitgehend im Informellen.|29 Daher haben wir grundsätzlich kein Interesse an einer »Formalisierung des Informellen.«|30

Weider hat aber auch erkannt, dass »diese Zeiten […] vorbei« sind. Die Geister, die wir gerufen haben, werden wir nun nicht mehr los.|31 Die Entwicklung ist über uns hinweggegangen.|32 Längst hat die Justiz, haben Staatsanwaltschaften ebenso wie Gerichte ihren Gefallen an Absprachen gefunden|33 und behaupten mit den Weihen des Großen Senats in Strafsachen, dass

»die Organe der Strafrechtsjustiz […] ohne die Zulassung von Urteilsabsprachen (den Anforderungen an das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit [!], die Pflicht des Staates, die Sicherheit seiner Bürger und deren Vertrauen in die Funktionstüchtigkeit der staatlichen Institutionen) nicht mehr gerecht werden [könnten].«|34

Ein Strafverfahren »nach den Regeln der StPO« erscheint nicht wenigen Richtern heute - siehe der eingangs erwähnte Alltagsfall aus der Düsseldorfer Strafjustiz - schon als eine Zumutung. Staatsanwälte praktizieren in ihren Anklagen das sog. »overcharging«.|35 Gerichte drohen »mit einem höheren Strafmaß, der viel zitierten »Sanktionsschere.«|36

II. Sanktionsschere: Die Machtspiele der Justiz

Es spricht Bände, dass genau in der Zeitspanne, in der alle Welt des Strafrechts über die »Formalisierung des Informellen« diskutiert, geradezu abenteuerliche Fälle inakzeptabler Sanktionsscheren bekannt geworden sind. Die krassesten Beispiele aus der Rechtsprechung:

Jähnke zitiert einen Fall, in dem

»der Zweite Strafsenat des BGH […] einen Fall zu beurteilen [hatte], in dem das LG einem Angeklagten, dem Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen wurde, eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Bewährung offeriert hat […] Da der Angeklagte auf dieses Angebot nicht eingegangen ist, hat es eine Strafe von sieben Jahren verhängt, ohne dass sich der Schuldspruch verändert hätte.«|37

Das LG Mannheim hatte einem Angeklagten, dem 156 Einzelfälle des sexuellen Missbrauchs vorgeworfen worden sind, gegen ein Geständnis zwei Jahre mit Bewährung angeboten. Nachdem der Angeklagte nicht gestanden hatte und das Verfahren auf 37 verbleibende Einzelfälle beschränkt worden war, verhängte es eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren.|38
Über den Beginn einer Hauptverhandlung vor dem Landgericht München hat die Süddeutsche Zeitung berichtet und Salditt zitiert sie:

»Der Angeklagte hatte sein früheres Geständnis widerrufen und wird [vom Vorsitzenden] mit den folgenden Worten ermahnt: ‚Der Zug steht am Bahnhof, der Schaffner hat gepfiffen, nun rollt der Zug langsam an. Sie haben es in der Hand.’ [Es] ging bei dieser Rede darum, den bestreitenden Angeklagten zu einem neuen Geständnis zu bewegen. Der Bahnhofsvorsteher auf dem Richterstuhl hat deshalb […] zur Vermeidung von Missverständnissen in aller Deutlichkeit hinzugefügt: Sollte es am Ende ‚eventuell’ ohne Geständnis zu einer möglichen Verurteilung kommen, dann sei das Strafmaß ‚nach oben offen.’« - Der Angeklagte wurde im November 2002 zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.|39

Wiederum das Landgericht München [sic!?] hatte einem wegen Steuer-hinterziehung in acht Fällen Angeklagten bei Geständnis eine zweijährige Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt und gleichzeitig mitgeteilt, dass »nach Durchführung einer Beweisaufnahme ohne Geständnis und ohne vollständige Schadenswiedergutmachung eine Freiheitsstrafe von bis zu sechs Jahren möglich sei.«|40

Das LG Münster hat einem wegen Steuerhinterziehung Angeklagten, der wegen einer früher begangenen Steuerhehlerei noch unter Bewährung stand, eine Freiheitsstrafe von vier Jahren unter der Bedingung »angeboten«, »dass der Angeklagte ein Geständnis ablegt und die gegen ihn bestehende Forderung des Fiskus wegen der (früher) bereits rechtskräftig abgeurteilten Steuerhehlerei erfüllt.«|41

Der Vorsitzende einer Strafkammer des LG Paderborn hat dem Verteidiger eines wegen schweren Menschenhandels Angeklagten, gegen den am Anfang des Verfahrens ca. sechs Wochen Untersuchungshaft vollstreckt worden waren, auf die Ankündigung eines Auslandsbeweisantrages hin mitgeteilt, »dass durch diese Vernehmung nichts zugunsten des Angekl. zu erwarten sei und im Falle einer Aussetzung des Verfahrens vom Gericht die Außervollzugsetzung des Haftbefehls »überdacht« werden müsse.« »Gleichzeitig sei ihm klar gemacht worden, dass bei einer geständigen, über ihn als Verteidiger abzugebenden Erklärung ein Strafmaß von 2 J. 9 M. nicht überschritten werde.«|42 Der Angeklagte ging auf die Drohung ein und erhielt die »angekündigten« zwei Jahre und neun Monate.

Oder schließlich:

Der Vorsitzende einer Strafkammer des LG Wuppertal hatte dem wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern Angeklagten zu Beginn der Hauptverhandlung »aus Gründen der Fürsorge für ihn und die möglicherweise Geschädigten« mitgeteilt, dass einem Geständnis - wenn der Angeklagte denn etwas zu gestehen habe - eine erheblich strafmildernde Wirkung beikomme und der Angeklagte in diesem Fall mit einer Freiheitsstrafe um die sechs Jahre rechnen könne. Ohne Geständnis »müsse er mit einer Freiheitsstrafe rechnen, die auch im zweistelligen Bereich liegen könne oder nahe an diesen herankomme.« Der Angeklagte hat mitgeteilt, auch weiterhin schweigen zu wollen. Nachdem die 16-jährige Nebenklägerin während ihrer Zeugenvernehmung anfing zu weinen, fragte der Vorsitzende den Angeklagten, »wie lange er sich das noch anhören wolle.« Der deswegen angebrachte Ablehnungsantrag des Verteidigers wurde - nachdem der Angeklagte zuerst einmal wegen zwei Fällen des sexuellen Missbrauchs zu vier Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt und von den übrigen Vorwürfen der Anklage freigesprochen worden ist, in der Revision für begründet erachtet.|43

Lassen wir es bei diesen Schilderungen. Wenn Jähnke in seinem ZRP-Rechtsgespräch mit Gebhardt gesagt hat, dass

»die Richter sich von der Verteidigung häufig erpresst fühlten, weil die Verteidigung einen Deal erzwingen wollte«,|44

muss es erlaubt sein, in diesen - und ähnlichen Fällen - von tatsächlichen oder jedenfalls versuchten Fällen von Erpressung durch Richter, also von Rechtsbeugung zu sprechen. Von der Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen eines solchen Vorwurfs ist bislang jedoch nichts bekannt geworden.

III. Kann das plea bargaining des US-amerikanischen Strafverfahrens Vorbild sein?

Schon Weider hat in seinem Aufsatz von 1982 auf die Ähnlichkeit zivil- und arbeitsgerichtlicher Vergleiche und darauf hingewiesen, dass sich offenbar neben den in der Strafprozessordnung normierten Erledigungsmöglichkeiten gemäß §§ 153, 153a und 154 ff. StPO sowie dem Strafbefehlsverfahren

»ein System entwickelt [hat], das dem amerikanischen plea bargaining nahekommt«.|45

Der Hinweis liegt nahe. Ob er bei näherer Betrachtung rechtfertigende Wirkung zeitigt, liegt weit weniger nahe:

Landläufig wird davon gesprochen, der adversarischen US-amerikanischen Strafverfahrensverfassung liege das plea bargaining und das guilty plea deshalb näher, weil dort sozusagen die Parteien untereinander ausmachen, was die »Wahrheit« sei.|46 Das deutsche Strafverfahrensrecht, so der BGH in seiner Leitentscheidung von 1997 zu Absprachen, sei »grundsätzlich vergleichsfeindlich ausgestaltet«.|47

Die amerikanische Strafverfahrensverfassung organisiert in der Tat »die rechtsstaatliche Verfahrensbalance zwischen Verfolgungsmacht und Subjektstellung des Beschuldigten«|48 in der formalen Gleichstellung der Parteien des einseitig ermittelnden und verfolgenden Staatsanwalts und des einseitig verteidigenden Beschuldigten, beide vor einem von jeder Aufklärungspflicht entbundenen, über beiden Parteien sitzenden und nur die Prozessordnungsmäßigkeit des Verfahrens überwachenden Richter. Demgegenüber besteht die

»Originalität der deutschen Lösung […] darin, […] zu Gunsten der materiellen Wahrheit die Aufklärungspflicht und damit eine überlegene inquisitorische Stellung des Gerichts zu statuieren, diese aber durch anderweitige Besserstellung der Verteidigung materiell auszubalancieren – nämlich durch die Versagung der discovery der Staatsanwaltschaft in die Akten der Verteidigung und durch den in der Rechtsprechung des Reichsgerichts vollendeten Ausbau des in den Händen der Verteidigung enorm starken Beweisantragsrechts.«|49

Eine genauere Betrachtung des plea bargaining im amerikanischen Verfahren ergibt - unterstützt durch die Untersuchungen vor allem von Weigend|50 und Ransiek|51 - folgenden Befund:

Das amerikanische plea bargaining entspricht durchaus dem adversarischen Verfahren. Es funktioniert als Vereinbarung zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Beschuldigten und seinem Verteidiger. Es besteht aber - das ist ein erster wichtiger Unterschied - nicht notwendig in einem Geständnis der angeklagten Tat. Im Gegenteil betont der Supreme Court, dass eine Verurteilung auch alleine auf ein guilty plea gestützt werden kann,

»even though there is no seperate, express admission by the defendant that he commited the particular acts claimed to constitute the crime charged in the indictment.«|52,|53

Der Richter hat dabei »lediglich« die Aufgabe, das aus dem plea bargaining entstandene guilty plea erstens entgegenzunehmen und es zweitens auf die Freiwilligkeit seines Zustandekommens zu untersuchen. In den Vorgang der Vereinbarung der Absprache selbst ist er nicht eingebunden und darf es nicht sein.

Die amerikanischen Gerichte standen dabei – also in der Beurteilung der Freiwilligkeit eines guilty plea - ursprünglich – und das gilt bis in die 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts – der Absprachepraxis äußerst kritisch gegenüber.|54,|55 Diese Skepsis wurde ausweislich der Begründung des Urteils in der Sache Brady vs. U.S. aus dem Jahr 1970|56 nur deshalb aufgegeben, weil etwa 3/4 aller Verurteilungen|57 auf einem guilty plea beruhen und die amerikanische Strafrechtspflege ohne diese praktische, einfache Erledigungsart völlig überfordert wäre.|58

Töne, die uns bekannt vorkommen: BGH-Präsident Tolksdorf schätzt in seiner Rede auf dem Jahrespresseempfang vom 30. Januar,

»dass in etwa zwei Drittel aller Strafprozesse die Urteile zwischen den Beteiligten und dem Gericht abgesprochen würden.«|59

Diese Zahl ist anhand der Rechtspflegestatistik des Statistischen Bundes-amtes nicht überprüfbar. Aus ihr ergibt sich für die Jahre 2002 und 2004 nur, dass die Staatsanwaltschaften in den letzten Jahren stabil rund 10% der von ihnen geführten Ermittlungsverfahren gemäß § 153a StPO eingestellt haben. Die entsprechende Quote von § 153a-Einstellungen bei den Amtsgerichten liegt bei knapp unter 15%.|60 Für die Landgerichte dürfte Ähnliches gelten. Die von BGH-Präsident Tolksdorf angenommenen »etwa zwei Drittel aller Strafurteile« scheinen demgegenüber eher hoch gegriffen. Aber darauf kommt es hier nicht entscheidend an.

Mit welchen prozessualen Vorkehrungen ein guilty plea nach den Vorgaben des U.S. Supreme Court ausgestattet ist, zeigt die Entscheidung North Carolina vs. Alford aus dem Jahr 1970|61:

Alford war wegen eines first degree murder angeklagt|62. Nach dem damaligen Strafrecht von North Carolina musste ein jury trial durchgeführt werden, wenn der Angeklagte sich nicht schuldig bekannte. Im Fall seiner Verurteilung war die Todesstrafe zu verhängen, wenn die Jury nicht eine lebenslange Freiheitsstrafe empfohlen hat. Die Todesstrafe war also die Regel. Bekannte sich der Angeklagte schuldig, entfiel das jury trial. Die Strafe war dann höchstens eine lebenslange, im Fall einer Verurteilung »nur« wegen eines second degree murder eine solche von zwei bis 30 Jahren.|63

Die Bedenken gegen ein guilty plea bei sonst drohender Todesstrafe liegen auf der Hand. Die Bedrohung liegt bereits in der Anklage wegen eines Delikts, für das normalerweise die Todesstrafe verhängt wird. Im Fall Alford noch mehr, da er bereits mehrfach wegen Totschlags vorbestraft war.|64 »Das Bestreiten bekommt einen Preis«, fasst Ransiek zusammen: »das Risiko zu sterben.«

Damit ist aber auch schon das notwendig mit jeder Absprache verbundene grundsätzliche Problem aufgeworfen, dass niemand gezwungen werden darf, sich selbst zu belasten.|65 Der US Supreme Court erklärte 1968 eine bundesgesetzliche Norm für verfassungswidrig, weil die Androhung der Todesstrafe bei Verweigerung eines guilty plea

»imposes an impermissible burden of the exercise of a constitutional right.«|66

Der aus einer solchen Bedrohung entstehende Geständniszwang wird nicht etwa gemindert, wenn es nicht um eine drohende Todesstrafe geht. Ein Angeklagter, dem eine Freiheitsstrafe von gleichgültig welcher Höhe droht, steht immer unter dem Druck, durch ein Geständnis zumindest weniger hoch bestraft zu werden. Die Frage ist mit dem US Supreme Court die, ob der Gebrauch des Verfassungsrechts von nemo tenetur »imposes an impermissible burden.« Wir wissen spätestens seit den erwähnten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu den Sanktionsscherenfällen, dass bereits die Androhung einer konkret überzogenen Freiheitsstrafe die Freiheit der Willensentschließung eines Angeklagten in unzulässiger Weise beeinträchtigt und deshalb einen Verstoß gegen § 136a StPO darstellt.

Aber auch ohne dass die Grenzen von § 136a StPO überschritten wären, bleibt das Problem des von einer höheren Strafdrohung ausgehenden Geständniszwangs. Dieses (Grund-)Problem eines jeden zur Vermeidung einer höheren Strafe abgelegten Geständnisses kann nur durch Prüfung seiner tatsächlichen Grundlage beseitigt werden. Und damit ist der circulus vitiosus geschlossen: Für Richter und Staatsanwalt ist ein Geständnis nur vorteilhaft, wenn es den Ausgang des Verfahrens vereinfacht und der zeitliche Aufwand beschränkt wird. Muss aber ein Geständnis mit den Anforderungen der Amtsaufklärungspflicht und der aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung gewonnenen intime conviction überprüft werden, entfällt zumindest die erwartete Ersparnis von Zeit und sonstigem Aufwand.|67 Wozu also noch eine Absprache?

Auch im US-amerikanischen Verfahren wird ein guilty plea nicht einfach akzeptiert. Im Fall North Carolina vs. Alford hat ein Polizeibeamter die Ermittlungsergebnisse zusammengefasst. Unmittelbare Tatzeugen gab es nicht. Allein der Umstand, dass Alford sich ausdrücklich nicht schuldig bekannt, aber trotzdem »auf schuldig plädiert« hat, macht hellhörig:

»I pleaded guilty on second degree murder because they said there is too much evidence, but I ain’t shot no man, but take the fault for the other man.«|68

Hätte eine Verurteilung in dieser Situation – mit den Maßstäben des Großen Senats in Strafsachen – dem nach wie vor geltenden Aufklärungsgrundsatz des § 244 Abs. 2 StPO ausreichend Rechnung getragen?

Es ist eine zweifache Erkenntnis, die wir aus dem Studium des amerikanischen guilty plea gewinnen können:

(1) Im amerikanischen Verfahren wird das guilty plea zwischen der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft vereinbart. Der Richter hat »nur« die Aufgabe, die Freiwilligkeit des Geständnisses zu überprüfen. Ganz anders im deutschen Verfahren: Hier spricht der Richter sowohl ex cathedra wie als Partei und ergreift gerade bei der Bedrohung des Angeklagten mit der Sanktionsschere selbst sogar die Initiative - um sich dann, wenn eine Vereinbarung über ein Geständnis nicht zustande kam, oder - schlimmer noch - wenn das Gericht sich trotz Geständnis von der zugesagten Strafobergrenze verabschiedet, wieder nach oben zu setzen und sich im besten Fall den Schein des Unbefangenen zu geben, als sei nichts gewesen. Alle Errungenschaften des reformierten Strafprozesses werden dabei verworfen. Der Richter übernimmt als Partei der Absprache die Funktion des Ermittelnden, Anklagenden und Verurteilenden. Unübertroffen das Verdikt Schünemanns dazu:

»Die seitens des Angeklagten nicht einmal einforderbare Absprachepraxis hat damit auch die kümmerlichsten Reste einer Verfahrensbalance zerstört, indem so gut wie sämtliche Gewalten in der Hand des Richters vereinigt werden und dieser im buchstäblichen Sinne zu jener »furchtbaren Gewalt« avanciert, die in den Augen Montesquieus im Rechtsstaat unerträglich ist.«|69

(2.) Was die Verteidigung angeht, ziehen wir aus den amerikanischen Berichten und Gerichtsentscheidungen eine zweite Lehre: Am Ende ist es hier wie dort ein Problem der Verantwortung. Der Verantwortung aller Beteiligter, der Richter, des Staatsanwalts und des Verteidigers|70. Wir werden, was vor allem den Verteidiger angeht, darauf zurückkommen. Ransiek schließt seine vergleichende Betrachtung des US-amerikanischen guilty plea mit der Bemerkung:

»Absprachen im Strafprozess begründen notwendig Geständniszwang. In den unklaren Fällen wird deshalb immer die Gefahr heraufbeschworen, dass ein Unschuldiger bestraft wird. In den »glasklaren« Fällen geht die mögliche Kontrolle des Verfahrensergebnisses durch alle Verfahrensbeteiligten und die Öffentlichkeit verloren. Der deutsche Gesetzgeber sollte deshalb nicht den Fehler des amerikanischen Rechts wiederholen, aus faktischen Zwängen heraus ein Abspracheverfahren gesetzlich einzuführen, das dort von Kritikern als ineffizient und ungerecht bezeichnet wird. Zu betonen ist dabei mit Fischer auch, dass der Strafprozess ja nicht ohne, sondern trotz der Absprachen vor dem Zusammenbruch stehen soll. Das heißt: Rückkehr zur alten StPO.«|71

Soweit der Blick nach den USA.

IV. Beim Deal gerät alles ins Ungefähre: »Wahrscheinlich schuldig«

Salditt hat völlig zu Recht erkannt:

Mit der »explodierenden Anwendung von § 153a StPO verfällt der Kampf ums Recht. Statt Tatsachen justizförmig aufzuklären und rechtlich zu würdigen, flüchten die Akteure in den Raum des Ungefähren.«|72

In einem System, das Absprachen von Urteilen zulässt, ist es noch viel mehr angelegt, dass entscheidende Rechtsfragen nicht mehr gelöst werden und die Rechtsprechung ihre Orientierungsfunktion verfehlt. Absprachen erledigen komplexe Verfahren, wie Hassemer|73 in seinem Eröffnungsvortrag für den Strafverteidigertag 2006 betont hat,

»bevor Unrecht und Schuld lege artis festgestellt sind […] Ihre Missachtung der herkömmlichen Garantien des formellen, aber auch des materiellen Strafrechts ist so entschieden, dass man nicht glauben mag, hier gehe es noch um den gründlichen Ernst, der dem Strafverfahren deshalb verordnet ist, weil es alle Betroffenen tatsächlich und normativ schwer belastet.«

Es reicht in einem solchen System aus, dass etwas strafbar sein könnte; ob es wirklich strafbar ist, bleibt im Ungewissen. So wird voraussichtlich nie entschieden werden, um auf das eingangs angesprochene Verfahren gegen Dr. Zumwinkel zurückzukommen, ob die vom Geheimdienst per international organisierter Datenhehlerei beschafften Beweismittel prozessual zulässig oder unzulässig verwertet worden sind. So kommen Verurteilungen wegen Untreue auf der Grundlage zu Stande, dass der Angeklagte eine Vermögensbetreuungspflicht verletzt habe, die potentiell zu einer konkreten Vermögensgefährdung geführt hat, die der Angeklagte in seinen dolus eventualis aufgenommen hat. Da mögen sich der 1. und der 2. Strafsenat über die Voraussetzungen der Strafbarkeit in Fällen des »doppelten Konjunktiv«|74 streiten|75. Im Fall einer Absprache wird daraus ein dreifacher Indikativ. Dafür sorgt schon der Rechtsmittelverzicht, der, wenn er schon nicht vom Gericht vereinbart oder auf ihn hingewirkt werden darf|76, zumindest erwartet wird oder für den schon die Staatsanwaltschaft sorgen wird, denn sie fühlt sich durch das Verbot der Vereinbarung eines Rechtsmittelverzichts für das Gericht nicht angesprochen.|77 Schon bei der vereinfachten Erledigungsmöglichkeit des § 153a StPO bleibt häufig genug – der ausdrücklichen Dogmatik zuwider|78 - offen, ob überhaupt eine Strafrechtsnorm erfüllt war.

Das markanteste Beispiel ist die Zustimmung des LG Bonn zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Altkanzler Kohl.|79 Das Landgericht ließ offen, ob der Tatbestand der Untreue nach § 266 StGB durch die Annahme und/oder die spätere Verwendung anonymer Spenden überhaupt vorlag. Es hat »hinsichtlich [des objektiven Tatbestands, ek] einer eventuellen Untreue« lediglich einige Überlegungen angestellt, diese aber nicht zu Ende geführt. Vielmehr formuliert es:

»Selbst wenn man allerdings die objektiven Voraussetzungen einer konkreten Vermögensgefährdung schon in diesem Stadium […] bejahen würde, blieben ernsthafte Zweifel am Vorsatz.«|80.

Die Kammer hielt die rechtliche Bewertung der Staatsanwaltschaft für »zweifelhaft« und spricht ausdrücklich die Möglichkeit an, dass der Beschuldigte Kohl vielleicht am Ende eines »streitig« weiterzuführenden Verfahrens bereits aus Rechtsgründen hätte freigesprochen werden müssen.

Wir alle können aus unserer alltäglichen Praxis Tausende von ähnlichen Beispielen anführen. Warum sollte bei Urteilsabsprachen anderes gelten? Zumal das Gericht der Anklage mit dem Eröffnungsbeschluss ohnehin schon die Wahrscheinlichkeit einer späteren Verurteilung testiert hat!|81 Wie sollte ein Richter, wenn er seine Aufgabe im Zwischenverfahren ernst genommen und die Aktenlage einschließlich des Verteidigungsvortrags des Angeschuldigten sorgfältig geprüft hat, am Anfang einer Hauptverhandlung zu einer anderen Einschätzung der Verurteilungswahrscheinlichkeit kommen? Dem Richter, dem es ohnehin (zu) leicht fällt, auf dem Formular die Eröffnung des Hauptverfahrens anzukreuzen, wird es ebenso leicht fallen, auf der Grundlage angenommener, mehr unterstellter als geprüfter Schuld mit dem Verteidiger eine Absprache mit dem Inhalt einer Verurteilung des Angeklagten zu treffen. Es kommt einer Sonntagsrede gleich, wenn der Große Senat in seinem Beschluss vom 3. März 2005 formuliert:

»Der Angeklagte hat einen Anspruch auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren […]. Die Handhabung der richterlichen Aufklärungspflicht, die rechtliche Subsumtion und die Grundsätze der Strafzumessung dürfen nicht im Belieben oder zur freien Disposition der Verfahrensbeteiligten und des Gerichts stehen.«|82

Und:

»Das Gericht darf nicht vorschnell auf eine Urteilsabsprache ausweichen, ohne zuvor pflichtgemäß die Anklage tatsächlich anhand der Akten und insbesondere auch rechtlich überprüft zu haben …«|83

Schmidt hat schon der Entscheidung des 4. Strafsenats vom 28. August 1997|84 zu den formellen Voraussetzungen einer Absprache »fundamentale Fehlvorstellungen über die forensischen Realitäten« attestiert.85 Warum soll das bei Prüfung der materiellen Voraussetzungen einer Absprache, wie sie der Große Senat formuliert hat, anders sein? Ransiek zitiert in seiner Veröffentlichung zu Urteilsabsprachen in US-amerikanischen Strafver-fahren Stimmen von Staatsanwälten, die angeblich »»glasklare« materiell-rechtliche Konstellationen für sich in Anspruch nehmen, in denen ein Angeklagter angeblich nicht unter Geständnisdruck komme. Sie sagen, dass »ohnehin nur in 4 % aller angeklagten Fälle Freispruch erfolgt.« Geht man aber davon aus, dass diese »4%« in Zukunft auf ein Abspracheangebot eingehen sollten, da die in Aussicht gestellte Strafmilderung besser als die »äußerst geringen« Freispruchschancen einzuschätzen sind, würden aber eben diese zu Unrecht sanktioniert. Das aber sind nicht »nur« 4%, sondern 4% zu viel.|86

V. Die Verhöhnung des rechtlichen Gehörs

Es war vorhin bereits die Rede von der »rechtsstaatlichen Verfahrensbalance zwischen Verfolgungsmacht und Subjektstellung des Beschuldigten«.|87 Diese Balance wird auf der Seite des Beschuldigten dadurch erreicht und gehalten, dass sowohl der Staatsanwalt wie der Richter einer strengen und umfassenden Aufklärungspflicht unterworfen werden und dass der Beschuldigte und sein Verteidiger einen ebenso umfassenden Anspruch auf rechtliches Gehör haben.|88 Das Bundesverfassungsgericht hat den Anspruch auf rechtliches Gehör als das »Urrecht« eines Beschuldigten im Strafverfahren bezeichnet.|89 Adolf Arndt hat schon 1959 aus Art. 103 Abs. 1 GG die prinzipielle Aufgabe des Gerichts abgeleitet, mit den Beteiligten ein Rechtsgespräch zu führen.|90 Die Justiz hat nicht nur diese Forderung zurückgewiesen. Immer und immer wieder mussten Bundesgerichtshof, Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eingreifen, um zumindest den einfachen Anspruch darauf durchzusetzen, dass die in gerichtlichen Entscheidungen verwerteten Tatsachen zuvor bekannt gegeben müssen und Gelegenheit gegeben werden muss, noch vor der Entscheidung dazu Stellung zu nehmen: in der Form der Akteneinsicht bei Untersuchungshaft|91, nach verfallssichernden Arresten, Beschlagnahmungen und Pfändungen|92, zur Sicherung des Konfrontationsrechts|93, zur Beschwerdefähigkeit von Grundrechtseingriffen nach prozessualer Erledigung|94.

Von einer Umsetzung umfassenden rechtlichen Gehörs in der Form eines wirklichen Rechtsgesprächs sind wir bis heute noch meilenweit entfernt. In einer List der Geschichte bedurfte es der Debatte um die Legalisierung von Absprachen in Strafverfahren, um – wie regierungsamtliche Flyer aus Anlass des Gesetzentwurfs hochglänzend verkünden – »Transparenz« in das Strafverfahren einzuführen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung führt zur Begründung an:

»Der Entwurf regelt […] die Möglichkeit von Erörterungen zwischen den jeweils die Verfahrensherrschaft innehabenden Stellen der Justiz und den Verfahrensbeteiligten über den Stand und den Fortgang des Verfahrens […] und beschränkt sich damit nicht auf die Verständigung allein.«|95

Es kommt dem Gesetzentwurf mit seinen neuen Vorschriften über Erör-terungen in den verschiedenen Stadien des Verfahrens darauf an,

»dass sich die Verfahrensbeteiligten nicht voneinander abschotten, sondern da, wo es für das Verfahren geeignet erscheint, eine gemeinsame Aussprache suchen.«|96

Der Gesetzentwurf verbindet einen »bedeutenden Bestandteil solcher Gespräche« mit der ausdrücklichen Erwartung, dass sie

»sicherlich auch Erörterungen über die grundsätzliche Möglichkeit einer Verständigung sein (werden), ohne dass dies im Gesetz ausdrücklich erwähnt werden müsste.«

Da mühen sich Generationen von Rechtspolitkern, Wissenschaftlern und Praktikern um die umfassende Durchsetzung wirksamen rechtlichen Gehörs, von Rechtsgespräch und generell offener Kommunikation im Strafverfahren - mit zweifelhaftem Erfolg. Dem Gesetzgeber, weil er mit durchsichtigen Gründen Absprachen legalisieren will, gelingt es mit einem Handstreich! Ein Hohn für das Urrecht des Beschuldigten.

VI. Risiken und Nebenwirkungen von Deals
oder: die Verantwortung des Verteidigers und die Untiefen der Verteidigung

Zur Verdeutlichung der hohen Anforderungen der Rechtsprechung der US-Gerichte an die Vergewisserung, dass ein guilty plea »freiwillig, ohne Überredung und ohne Zwang jeder Art«|97 beantragt worden ist, zitiere ich nochmals aus der Entscheidung des US Supreme Court im Verfahren gegen Alford:

Mit seiner Antwort auf die Fragen seines Verteidigers bestätigte Alford, dass er sich mehrere Male mit seinem Anwalt und mit Mitgliedern seiner Familie beraten hat und über seine Rechte informiert war, als er sich entschieden hat, sich schuldig zu bekennen. Alford bestätigte daraufhin erneut, sich eines Totschlags zweiten Grades schuldig zu bekennen.

Daraufhin Alfords Verteidiger:

»Und Sie haben mich ermächtigt, ein Schuldbekenntnis eines Totschlags zweiten Grades anzubieten?«

Alford:

»Ja«

Der Verteidiger:

»Und damit haben Sie Ihre Entscheidung in diesem Punkt erneut bestätigt?«

Alford:

»Genau, …«|98

Dieser Sorgfalt bedarf es mindestens, um das Risiko einzugrenzen, das ein Verteidiger eingeht, wenn er seinem Mandanten rät zu gestehen.

Mit der damit erneut anzusprechenden Verantwortung des Verteidigers gehen auch wir Rechtsanwälte nicht immer sorgfältig um. Mit der Erlaubnis seines aktuellen Verteidigers will ich das Zerrbild eines Verteidigers skizzieren, der verantwortungslos mit dem ihm anvertrauten Schicksal seines Mandanten umgegangen ist, ohne dass wir selbstverständlich darüber vergessen sollten, dass selbst die größte Verantwortungslosigkeit eines Verteidigers ohne die tatkräftige Unterstützung des Gerichts nicht zu einem Urteil führen kann. Ich will aber auch ein ebenso empörendes Beispiel dafür anführen, wie umgekehrt die Justiz mit einem Verteidiger umgeht, der sich offensichtlich um eine Absprache bemüht hat, sie aber – vielleicht – nicht erzielt hat. Auch dabei kann ich mich auf die Auskünfte des Verteidigers stützen:

Einem - prominenten - Beschuldigten wird - u.a. - in einem Strafbefehl vorgeworfen, er habe einen anderen gemeinsam mit ca. zehn Personen mit einem Gegenstand in der Hand, wahrscheinlich einem Schlagring, angegriffen und ihn derart schwer mit Schlägen auf den Oberkörper verletzt, dass er in die Intensivstation eines Krankenhauses eingeliefert und dann noch eine Woche auf der Normalstation behandelt werden musste und danach noch lange Zeit an den Folgen der behaupteten Verletzungen zu leiden hatte.

Der mit seiner Verteidigung beauftragte Rechtsanwalt wurde von seinem Mandanten bei Übernahme des Mandats informiert, dass der Beschuldigte nicht nur diese Vorwürfe bestritt, sondern konkret behauptet, er habe dem Anzeigeerstatter nur zwei Ohrfeigen versetzt, wobei er keinen Gegenstand, erst recht keinen Schlagring benutzt und den angeblich Geschädigten auch nicht verletzt habe. Der Verteidiger war auch von Anfang an darüber informiert, dass sowohl die Ehefrau als auch mehrere andere Personen unmittelbare Zeugen des Vorfalls und bereit waren, die Richtigkeit der Angaben des Beschuldigten zu bestätigen.

Der damalige Verteidiger des Beschuldigten hat zunächst sich nur zur Akte gemeldet, aber monatelang von Akteneinsicht abgesehen. Auch nachdem er später die Akte eingesehen hatte, hat er - trotz anderer Ankündigung - keine Stellungnahme für seinen Mandanten abgegeben. So kam es zum Erlass eines Strafbefehls wegen Körperverletzung, Beleidigung und Bedrohung über eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von 1,2 Mio. DM.

In der in Abwesenheit seines angeklagten Mandanten stattfindenden Ein-spruchsverhandlung vor dem Amtsgericht bestritt der damalige Verteidiger, dass dieser den Nebenkläger überhaupt angegriffen hatte, obwohl sein Mandant selbst der Presse gegenüber die zwei Ohrfeigen bereits zugegeben hatte. Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten wegen dieses und wegen zweier weiterer Vorwürfe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten, die unter einer Zahlungsauflage zur Bewährung ausgesetzt worden ist.

Der Angeklagte und der Nebenkläger legten gegen dieses Urteil Berufung ein. Auch in den beiden Besprechungen mit seinem damaligen Verteidiger zur Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung bestand der Angeklagte darauf, dass er dem Nebenkläger nur zwei Ohrfeigen gegeben habe, bei dieser Auseinandersetzung allein war und ihn nicht verletzt habe. Er wollte – so wörtlich – lieber ins Gefängnis gehen als etwas einzuräumen, was er nicht getan habe.

Der Verteidiger führte zwei Tage vor der Berufungshauptverhandlung eine Besprechung mit dem Vertreter der Staatsanwaltschaft. Sein Ziel war es, eine – durchaus mögliche – Freiheitsstrafe zu vermeiden. In dieser Besprechung schrieb der Staatsanwalt (!) für den Verteidiger dessen Erklärung mit folgendem Wortlaut nieder:

»Am […] ist mein Mandant mit mehreren Personen auf (den Nebenkläger) zugestürmt. Er war auf ihn zornig und hatte erheblich getrunken. In dieser Situation hat er (dem Nebenkläger) nach seiner Erinnerung zwei Ohrfeigen versetzt. Aufgrund seiner alkoholisiert gesteigerten Erregung kann mein Mandant nicht ausschließen, (dem Nebenkläger) Verletzungen zugefügt zu haben. Er kann auch nicht ausschließen, dass ihm zuvor einer seiner Begleiter einen Gegenstand in die Hand gedrückt hatte. Mein Mandant bedauert den Vorfall.«

Diese vom Staatsanwalt geschriebene Erklärung unterschrieb der damalige Verteidiger. Seinen Mandanten hat er von dieser Erklärung nicht unterrichtet.

Daraufhin war der Staatsanwalt bereit, den Antrag zu stellen, das Verfahren bezüglich eines anderen Anklagevorwurfs gemäß § 154 StPO einzustellen und im Übrigen nur eine Geldstrafe zu beantragen. Die vom Verteidiger unterzeichnete Erklärung hat der Staatsanwalt dem Gericht zugeleitet. In der Berufungshauptverhandlung wurde diese Erklärung verlesen. Der – wiederum nicht anwesende - Angeklagte wurde nach einer Teileinstellung zu einer Geldstrafe von 178 Tagessätzen verurteilt.
Durch die breite Berichterstattung der Presse über diese Berufungshauptverhandlung erfuhr der Angeklagte erstmals von der für ihn abgegebenen Erklärung seines Verteidigers, die in vier Punkten falsch war: Erstens ist er nicht »mit mehreren Personen auf [den Nebenkläger] zugestürmt«. Zweitens hatte er nicht »erheblich getrunken«, drittens hat er den Nebenkläger nicht verletzt und viertens hatte er keinen Gegenstand in der Hand, schon gar keinen Schlagring.

Nachdem dieses Urteil rechtskräftig geworden war, bringt der neue Verteidiger einen Wiederaufnahmeantrag an. Er hat die Strafanzeige und weitere Behauptungen des Nebenklägers und von ihm beigebrachte Dokumente aufs Präziseste analysiert, hat umfangreich selbst recherchiert und Zeugen befragt und deren eidesstattliche Versicherungen beigebracht. So konnte er das Wiederaufnahmegericht davon überzeugen, dass die für seinen Mandanten dem Berufungsgericht vorgelegte Erklärung des damaligen Verteidigers in allen wesentlichen Punkten falsch war. Er konnte auch belegen, dass diese Erklärung ohne Kenntnis seines Mandanten zu Stande gekommen war. Das Wiederaufnahmegericht hat dem Antrag stattgegeben.

Das ist nicht mehr nur eine »zwiespältige«, sondern eine pflichtvergessene »Rolle des an einer Absprache beteiligten Verteidigers«, der es an der Mühe und Akribie hat fehlen lassen, sich um den konkreten Sachverhalt innerhalb und außerhalb der Akte zu kümmern, und der den »Bürgermut« nicht aufgebracht hat, sich an der Seite seines Mandanten gegen den schnellen Griff zu einem Fehlurteil zur Wehr zu setzen. Selten wird einem Verteidiger leichter geglaubt – auch das lernen wir aus diesem Beispiel -, als wenn er ein Geständnis für seinen Mandanten vorträgt.

Über einen ganz anderen Fall von Risiken und Nebenwirkungen im Zusammenhang mit Urteilsabsprachen hat die Süddeutsche Zeitung vom 10. Februar 2009 berichtet. »Es könnte ein interessanter Fall werden«, schreibt Holzhaider:

»Ein Rechtsanwalt als Angeklagter, zwei Richter als Zeugen und ein Gericht, das sich entscheiden muss, wem es glauben soll: den beiden Kollegen oder dem Angeklagten, der ebendiesen als Strafverteidiger ein Jahr lang das Leben schwer gemacht hat.«

Das ist der Vorwurf gegen den betroffenen Kollegen: Der Münchener Rechtsanwalt Lucas soll den Bundesgerichtshof belogen haben, als er die Revision gegen die Verurteilung seines Mandanten damit begründet hat, dass das Verfahren wegen »eklatanter Diskrepanz« zwischen der im Falle eines Geständnisses in Aussicht gestellten vergleichsweise milden Strafe von vier Jahren und sechs Monaten und den tatsächlich verhängten achteinhalb Jahren Freiheitsstrafe wegen Drogenhandels gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen habe. Wir erinnern uns an die eingangs erwähnten Fälle unerträglicher »Sanktionsscheren«, die ja tatsächlich auch vom BGH als Verstoß gegen das faire Verfahren und gegen § 136a StPO angeprangert worden sind.

Der von Rechtsanwalt Lucas erhobenen Verfahrensrüge haben aber die am Urteil beteiligten Tatrichter entschieden widersprochen.

»Dem Angeklagten wurde seitens VRLG H. […] und auch seitens RiLG B. zu keiner Zeit ein bestimmtes Strafmaß oder eine Strafobergrenze in Aussicht gestellt«|99,

versicherten sie in einer dienstlichen Erklärung. Der Anwalt Lucas habe lediglich

»Hypothesen dergestalt aufgestellt, wie aus seiner Sicht die Vollstreckung für seinen Mandanten ablaufen könnte, würde Herr K. zu einer Strafe mit ‚einer vier vor dem Komma’ verurteilt werden.«|100

Es gab also in diesem Punkt zwei sich widersprechende Darstellungen.

Der 1. Senat hat die Revision nicht nur verworfen, weil die Tatsachen, auf sie stützen sollten, nicht bewiesen waren, sondern fügte seiner Entscheidung die Bemerkung an, er müsse »mit Befremden zur Kenntnis nehmen, dass er mit unwahrem Vorbringen konfrontiert wurde.«|101

»Ohne irgendein weiteres Beweismittel legten sich die Bundesrichter also darauf fest, der Anwalt habe gelogen, die Berufsrichter hätten die Wahrheit gesagt.«

Soweit der Bericht der Süddeutschen Zeitung.

Dieser Hinweis des BGH wurde von der Staatsanwaltschaft Augsburg verstanden: Sie erhob gegen Rechtsanwalt Lucas Anklage wegen Strafvereitelung. Zuständig ist eben die Strafkammer, deren Vorsitzender und Beisitzer den Mandanten von Rechtsanwalt Lucas verurteilt haben. Erst nach Ablehnungsanträgen erkannten sie, dass sie – als Zeugen des Vorwurfs in der Anklageschrift benannt – gemäß § 22 StPO ausgeschlossen waren. Der Landgerichtspräsident regte darüber hinaus bei der Rechtsanwaltskammer »geeignete berufsrechtliche Maßnahmen« an.

Die Anklage gegen Rechtsanwalt Lucas macht deutlich, dass jedes Vertei-digergespräch mit Richtern mit dem Ziel, zu einer Urteilsabsprache zu kommen, zu einem kaum kalkulierbaren Risiko für den Verteidiger werden kann. Er kann ja schließlich kein heimliches Tonband mitlaufen lassen.

VII. Schluss: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung

Wie gehen wir – nach allem und in aller Kürze – mit dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines »Gesetzes zur Regelung von Absprachen im Strafverfahren« um? Verharren wir in der strikten Ablehnung? Verhalten wir uns realistisch, gehen wir den Weg des geringsten Widerstands und versuchen, das Beste daraus zu machen? Oder ist das bereits der pure Opportunismus?

Das seit der Föderalismus-Reform nicht mehr zustimmungspflichtige Gesetz|102 wird – voraussichtlich nach einer in der ersten Lesung von mehreren Rednern angesprochenen Sachverständigen-Anhörung|103 – in zweiter und dritter Lesung durch den Bundestag beschlossen werden.

Der Regierungsentwurf hat allen Überlegungen, aus dem »Konsensprinzip« ein neues Grundprinzip des Strafverfahrens zu machen, eine Absage erteilt und lässt weder an der Aufklärungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO Abstriche zu, noch enthält er Einschränkungen der Revision.|104 Das ist zu begrüßen. Oder besser: Jede andere Entscheidung des Gesetzgebers wäre »mit unserer Vorstellung von Verfahren unvereinbar.«|105

Der Regierungsentwurf enthält gesetzliche »Einladungen« zu Rechtsge-sprächen im Ermittlungs-, Zwischen- und Hauptverfahren. In Berlin würde man sagen: Und das ist gut so!

Nach dem Regierungsentwurf darf ein Geständnis, das der Angeklagte nach einer gescheiterten Absprache abgelegt hat, nicht verwertet werden.|106 Die Voraussetzungen, unter denen die Bindung des Gerichts an eine getroffene Absprache entfällt,|107 sollten sowohl für den »Wegfall der Geschäftsgrundlage« als auch für den Fall, dass »das weitere Prozessverhalten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichts zu Grunde gelegt worden ist«|108, präziser erfasst werden.

Der Regierungsentwurf sieht eine qualifizierte Belehrung gemäß § 35a Satz 3 StPO-E für den Fall vor, dass ein Urteil nach Verständigung gefällt wurde.|109 Eindeutiger wäre die Streichung der in § 302 Abs. 1 Satz 1 StPO geregelten Möglichkeit, auf die Einlegung eines Rechtsmittels zu verzichten.

Alle diese durchaus nicht negativen Anmerkungen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit der Legalisierung von Absprachen im Strafverfahren die »Grundlagen des Strafverfahrens in Beliebigkeit und Willkür« aufgelöst werden.|110

 

Anmerkungen:

* im Wesentlichen unveränderte Fassung des Eröffnungsvortrags für den 33. Strafverteidigertag vom 27.02. bis 01.03.2009 in Köln

1 Der Spiegel, Nr. 8/2009, S. 154
2 Die Zeit, 29.01.2009, S. 23
3 BT-Drs. 16/11736 vom 27.01.2009
4 Deutscher Bundestag, Sten. Bericht, 202. Sitzung, 29.01.2009, S. 21844 ff.
5 Vorschlag des Strafrechtsausschusses der BRAK für eine gesetzliche Regelung der Urteilsabsprache im Strafverfahren, September 2005, abrufbar unter www.brak.de/seiten/pdf/Stellungnahmen/2005/Stn25-05.pdf
6 ebda
7 BGHSt 50, 40
8 so der Titel der Veröffentlichung von Schünemann, in: Schriften der Juristischen Gesellschaft Mittelfranken zu Nürnberg e.V., Heft 29, 2005
9 So der Titel einer weiteren Veröffentlichung von Schünemann, 2005
10 Weigend, JZ 1990, 57, 63
11 Harms, FS Nehm, 2006, 289, 295
12 Harms, aaO
13 Schünemann, Absprachen im Strafverfahren? Grundlagen, Gegenstände und Grenzen, Gutachten B zum 58. Deutschen Juristentag, 1990
14 Abrufbar unter www.bmj.bund.de/media/archive/1234.pdf (RE)
15 BT-Drs. 16/4197 vom 31.01.2007
16 Abrufbar unter www.waechtler-kollegen.de/downloads/Vortrag_29Strafverteidigertag.pdf
17 Ignor, Die Urteilsabsprache und die leitenden Prinzipien der StPO, FS zu Ehren des Strafrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer, 2006, 321
18 siehe www.strafverteidigervereinigungen.org/Strafverteidigertage/
strafverteidigertag2006.htm
19 siehe FN 5
20 StraFo 2006, 89
21 Fischer, NStZ 2007, 433, 436
22 Vgl. nur Meyer-Goßner, StPO, 51. A., Einl. 119 ff. und die dort Zitierten
23 Vgl. Fischer, aaO (FN 21), 433; ebenso Weßlau, StV 2006, Beilage, S. 357
24 Weider, StV 1982, 545, 548
25 StraFo 2003, 406, 407
26 StV 1987, 500; in dieselbe Richtung bereits der Kommentar von Gebhardt, AnwBl. 1984, 541
27 StraFo 2003, 406, 408
28 aaO, FN 21, 433
29 Vgl. Hassemer, Informelle Programme im Strafprozess. Zu Strategien der Strafverteidigung, StV 1982, 377
30 So die Überschrift über dem »Positionspapier zu dem von der Bundesrechtsanwaltskammer vorgelegten Vorschlag einer gesetzlichen Regelung der Urteilsabsprachen», Strafrechtsausschuss des DAV, StraFo 2006, 89
31 StraFo 2003, 408
32 So auch Harms, aaO, 291
33 So Jähnke, ZRP 2001, 574, 575: »Nach den ersten Äußerungen über Verständigung im Strafverfahren schien es so zu sein, dass die Richter sich von der Verteidigung häufig erpresst fühlten, weil die Verteidigung einen Deal erzwingen wollte, um eine sehr niedrige, vielleicht sogar schuldunangemessene Strafe zu erreichen. … Ich habe aus verschiedenen Äußerungen den Eindruck, dass die Gewichte mittlerweile zumindest gleich sind.«
34 BGHSt 50, 40, 53/54; allerdings hat bereits Detlef Deal aus Mauschelhausen = Hans-Joachim Weider betont: »Die tägliche Praxis zeigt … , dass diese Möglichkeiten (i.e. §§ 153, 153a, 154 ff, StPO und das Strafbefehlsverfahren, ek) nicht ausreichen, um den Arbeitsanfall zu bewältigen, zumal die erwähnten vereinfachten Erledigungsformen überwiegend für »kleinere« Strafsachen gelten dürften … Darüber hinaus muss davon ausgegangen werden, dass bei Wahrnehmung der prozessualen Rechte und Möglichkeiten des Angeklagten in jedem Verfahren, d.h. einer Durchführung des Verfahrens unter Wahrung der Verfahrensstandards, die Strafjustiz wegen Überlastung zusammenbrechen würde.
35 Weider, StraFo 2003, 408; Salditt, ZStW 115 (2003), 570, 572: »Er (der Richter, ek) kann ein übermäßiges Drohpotential, das »nach oben offene« Strafmaß, erst einmal mächtig aufbauen, um es danach im Zuge der Einigung ganz oder teilweise wieder abzuräumen (auf den Kapitalmärkten würde man dies als Pumping and Dumping bezeichnen),»
36 Weider, StraFo 2003, 408
37 Jähnke, aaO, 575
38 StraFo 2003, 97
39 Salditt, ZStW 115 (2003), 570 und 582
40 StV 2004, 470
41 BGHSt 49, 84, 97 = mit Anm. Weider NStZ 2004, 339; Beulke JZ 2005, 57, Swoboda JZ 2005, 67; Gabriele Schöch NJW 2004, 3462
42 BGH StV 2004, 636
43 NStZ 2007, 711
44 FN 33
45 Weider, StV 1982, 545
46 Vgl. Egon Müller, Kommentar zu »Plea-bargaining« - der Deal im Strafprozess, in: Jung/Luxenburger (Hrsg.): Beiträge zum Strafprozessrecht (1969-2001), 2003, 27
47 BGHSt 43, 195, 203
48 Schünemann, ZStW119 (2007), 945
49 Schünemann, aaO, S. 946
50 Absprachen in ausländischen Verfahren, 1990, und JZ 1990, 774
51 ZIS 2008, 116
52 U.S. vs. Alford vom 17.11.1969 und 23.11.1979, U.S. 25 (Lexsee 400), Lecturer’s Headnote: [4]; ebenso Headnote: [9], ebda: »While most plea of guilty consist of both a waiver of trial and an express admission of guilt, the latter element is not a constitutional requisite to the imposition of a criminal penalty”
53 Vgl. auch Salditt, ZStW 115 (2003), 570, 576 nennt das eine »Prozesserklärung« und fügt unter Hinweis auf Weigend (oben FN 50) und den Fall U.S. vs. Alford (oben FN 52) hinzu: »Solche Prozesserklärungen wären mit unserer Vorstellung von Verfahren unvereinbar.«
54 Alschuler, 13 Law and Society Review (1979), 211, 224
55 Ransiek (oben FN 51), 117/118
56 Brady vs. U.S., 397 U.S. 742 v. 18.11.1969 und 04.05.1970 (Lexsee 397 U.S. 742)
57 Langbein, 46 Chi.L.Rev. (1978), 3 (9) nennt 99% für Detroit
58 Brady vs. U.S.; North Carolina vs. Alford, 400 U.S. 25 (1970)
59 becklink 274885 vom 30.01.2009
60 Vgl. Salditt, § 153a StPO und die Unschuldsvermutung, FS Egon Müller, 2008, 611, 613
61 Oben FN 52
62 Nach dem Strafrecht von North Carolina wird first degree murder wie folgt definiert: »A murder which shall be perpetrated by means of poison, lying in wait, imprisonment, starving, torture, or by any other kind of willful, deliberate, and premeditated killing, or which shall be committed in the perpetration or attempt to perpetrate, any arson, rape, robbery, burglary or other felony, shall be deemed to be murder in the first degree and shall be punished with death: Provided, if at the time of rendering its verdict in open court, the jury shall recommend, the punishement shall be imprisonment for life in the State’s prison, and the court shall instruct so the jury.” (U.S. vs. Alford, (oben FN 52) , S. 5
63 Ransiek, (o. FN 52), 118
64 North Carolina vs. Alford (FN 52)
65 BVerfGE 56, 37, 43, zuletzt EGMR, StV 2006, 617, 621; StV 2003, 257, 259; BGH StV 2007, 509
66 U.S. vs. Jackson, 390 U.S. 570 (581) (1968), zit. bei Ransiek, aaO
67 Schmitt, GA 2001, 412, 421
68 North Carolina vs. Alford (FN 52), 28
69 Schünemann, ZStW 119 (2007), 952
70 Vgl. Barton, Von der Verantwortung des Verteidigers – Verteidigung als Beruf, FS Egon Müller, 2008, 31 ff.
71 Ransiek (FN 51), 122
72 Salditt, aaO, (FN 60), 611, 620
73 StV 2006, 321, 327
74 Vgl. Nack, Bedingter Konjunktiv beim Gefährdungsschaden – ein »doppelter Konjunktiv?, StraFo 2008, 277 ff.; in Müller-Gugenberger, 4. A., 2006, § 66 Rn. 143 spricht Nack vom»zweistufigen Konjunktiv«
75 Vgl. einerseits BGH, Urteil vom 18.10.2006 - 2 StR 499/05 = BGHSt 51, 100 ff. und andererseits BGH, Beschluss v. 20.03.2008, - 1 StR 488/07, NJW 2008, 2451f., = StraFo 2008, 303 mit Anm. Klötzer/Schilling; im Übrigen Fischer, Der Gefährdungsschaden bei § 266 in der Rechtsprechung des BGH, StraFo 2008, 269 ff. und Nack, Bedingter Vorsatz beim Gefährdungsschaden – ein »doppelter Konjunktiv«? StraFo 2008, 277 ff.
76 BGHSt 50, 40, 56 f.
77 Vgl. Salditt, Das unzuverlässige Geständnis – die zwiespältige Rolle des an einer Absprache beteiligten Verteidigers, FS Widmaier, 2008, 545, 548
78 Vgl. Hamm, Wie man in richterlicher Unabhängigkeit vor unklaren Gesetzeslagen kapituliert, NJW 2001, 1694f.
79 LG Bonn, NJW 2001, 1737
80 LG Bonn, aaO, 1738/9; Hervorhebung nicht im Original, ek
81 Schünemann, ZStW 119 (2007), 952
82 BGHSt 50, 40, 48
83 BGHSt 50, 40 49
84 BGHSt 43, 195
85 Schmidt, GA 2001, 411f.
86 Ransiek, aaO (FN 51), 120
87 Schünemann, ZStW119 (2007), 945
88 Hamm, Quo vadis Strafprozess?, FS Egon Müller, 2008, 235
89 BVerfGE 51, 1, 6; ebenso BVerfG StraFo 2004, 309
90 NJW 1959, 6 ff und 1297 ff.
91 EGMR, StV 2001, 201 mit. Anm. Kempf
92 BVerfG, NStZ 2006, 459 = NJW 2006, 1048
93 BGHSt 46, 93
94 BVerGE 96, 27 und StV 1997, 505
95 BT-Drs. 16/11736, S. 9
96 ebda.
97 Brady vs. US (oben FN 56), S. 8
98 U.S. vs. Alford, aaO (FN 52), S. 6; ähnlich eindringlich die Befragung des defendant in Brady vs. US (FN 56): »The Court: … I want to be certain that you know what you are doing and you did know when you entered a plea of guilty the other day. Do you want to let the plea of guilty stand, or do you want to withdraw it and plead not guilty? Defendant Brady: I want to let that plea stand, sir. »The Court: You understand that in doing that you are admitting and confessing the truth of the charge contained in the indictment and that you enter a plea of guilty voluntarily, without persuasion, coercion of any kind? Is that right? »Brady: Yes, your Honor. »The Court: And you do do that? »Brady: Yes, I do. »The Court: You plead guilty to the charge? »Brady: Yes, I do.”
99 BGH B. v. 15.04.2008, 1 StR 104/08, abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de, S. 4
100 BGH, aaO, S. 5
101 BGH, aaO, S. 6
102 52. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 31.08.2006, BGBl I 2034, Änderung der Art. 72 Abs. 1 und 2, 74 Abs. 1 Nr. 1 GG
103 Z.B. Abg. Danckert, BT, Sten. Berichte, 16. WP, 202. Sitzung v. 29.01.2009
104 Vgl. BGH (unzulässige Revision nach Absprache)
105 Salditt, aaO (FN 53, 570, 576
106 § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO-E
107 § 257c Abs.4 S. 1 und 2 StPO-E
108 Die »Überzeugung ..., dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen« (sei), sollte nur dann von der Zusage entpflichten, wenn sie auf Grund neuer Tatsachen oder durch rechtlich zwingende Erkenntnisse geboten ist. Ein von der Prognose des Gerichts abweichendes Verhalten sollte nur dann angenommen werden können, wenn es sich um ein im Rahmen der Absprache zugesagtes Verhalten handelt
109 § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO-E
110 Harms, aaO (FN 11), 295

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